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Zu viele Eltern "parken" ihre Kinder vor dem Fernseher

Gabi Goscinski (44), Erzieherin in einem evangelischen Kindergarten in Emmerich am Niederrhein, hat die Erfahrung gemacht, dass Eltern höchst unterschiedlich mit dem Fernseher in der Familie umgehen: Es gibt Eltern, die sich Gedanken über Art und Dauer des Gesehenen machen. Und es gibt Eltern, die Kindern im Vorschulalter ein eigenes TV-Gerät ins Kinderzimmer stellen.

Eigenes TV-Gerät im Zimmer

zwei ängstliche Kinder vor dem Fernseher; © Jupiterimages

"Nach meiner Erfahrung gucken 50 Prozent der Kinder zu viel Fernsehen. Meine Kolleginnen und ich staunen oft, wie unterschiedlich es in den Familien zugeht. Von den 25 Kindern aus meiner Gruppe haben etwa zwölf ein eigenes Fernsehgerät im Kinderzimmer", schildert Gabi Goscinski. Ihr ist aufgefallen, dass es einige Familien gibt, die ihre Kinder "davor parken", die ihre Kinder unbeaufsichtigt vor dem TV-Gerät sitzen lassen, während die Eltern mit anderen Dingen beschäftigt sind.

Bildschirmflimmern schon vor dem Frühstück

Nach den Erfahrungen von Gabi Goscinski gibt es eine große Zahl von Kindern, die bereits am frühen Morgen vor dem Kindergartenbesuch fernsehen. "Zum Beispiel, wenn es ältere Geschwister gibt, die für die Schule fertig gemacht werden", berichtet die Erzieherin. Sie erzählt von einer Mutter, die ihren Sohn immer erst um 9.30 Uhr gebracht hat. "Der Junge hatte Schwierigkeiten anzukommen, die Kinder hatten dann alle schon Spielpartner gefunden, bevor der Junge kam. Auf Nachfragen sagte die Mutter, er wolle zuerst eine Sendung zu Ende sehen."

Hilfe durch die Erzieherin

In diesem Fall hat die Erzieherin ein Elterngespräch angeregt. "Und interessanterweise war die Mutter nicht etwa gekränkt. Sie war froh, dass wir das Thema angesprochen haben. Es handelte sich um eine Familie mit türkischem Migrationshintergrund, dort wurden den Söhnen so gut wie keine Grenzen gesetzt. Die Mutter war sehr glücklich, uns Erzieherinnen den ,schwarzen Peter' zuschieben zu können." So konnte die Mutter die Verantwortung an den Kindergarten abgeben und der Sohn hat das Fernsehverbot in der Frühe vor dem Kindergarten akzeptiert – weil es von den Erzieherinnen kam.

Eltern suchen selten Rat

Dass Eltern sich Rat in Fernsehfragen bei den Erzieherinnen holen, kommt nach Gabi Goscinskis Erfahrungen selten vor. "Es gibt die Eltern, die verantwortungsvoll damit umgehen, und die brauchen unseren Rat eigentlich nicht. Die Eltern, die ihn brauchen würden, sprechen das Thema aber leider nicht an. Ich bin sicher, sie wissen selbst, dass ihre Kinder zu viel gucken, und wollen das Thema deshalb nicht anschneiden."
Gabi Goscinski und ihre Kolleginnen bemühen sich durchaus, mit den Kindern über ihre Fernseherlebnisse zu sprechen. Dabei sind die Fernsehhelden ihrer Schützlinge der 44-Jährigen meistens unbekannt und sie muss sich kundig machen, was sich hinter SpongeBob und Konsorten verbirgt. "Meine Kinder sind 15 und 18 Jahre alt", sagt sie. "Mein Sohn hatte früher eine Lieblingssendung, das war ,Pingu'. Da gab es kleine Knetfiguren, die in wenigen Minuten mit überschaubaren Freunden kleine Geschichten erzählten. Das kennt wohl heute kein Mensch mehr." Stattdessen hören sie und ihre Kolleginnen, dass die Kinder von heute "Dora" gucken. "Dora Explorer" ist eigentlich eine amerikanische Zeichentricksendung, die sich ursprünglich an die lateinamerikanischen Einwandererinnen und Einwanderer in Nordamerika wandte. Das Mädchen ist eine Latina, die zusammen mit einem Äffchen Abenteuer erlebt.

Erzieherinnen informieren sich

Gabi Goscinski und ihre Kolleginnen gucken ab und zu in der Fernsehzeitung nach, um darüber informiert zu sein, was die Kinder interessiert. "Ich habe den Eindruck, die Kinder, die zu viel gucken, gucken auch noch die falschen Sendungen", meint Gabi Goscinski. "Sponge Bob oder Hannah Montana – das ist doch nicht altersgemäß. Bei Hannah Montana geht es um 13-jährige Schülerinnen ..." Viele Erzieherinnen haben die Erfahrung gemacht, dass, wenn sie kurze altersgemäße Filme zeigen, beispielsweise den kleinen Maulwurf aus der "Sendung mit der Maus", ein Teil der Kinder abschaltet – weil diese Kinder an wesentlich schnellere Schnittfolgen und mehr Action gewöhnt sind.
Im evangelischen Kindergarten, in dem Gabi Goscinski und ihre Kolleginnen arbeiten, verfolgen die Erzieherinnen unterschiedliche Strategien, um die Eltern für das Thema Fernsehkonsum der Kinder zu sensibilisieren. Ab und zu suchen sie auch das Gespräch mit den Kindern. "Dann sagen wir ausdrücklich, frag die Mama doch mal, ob sie ein Bilderbuch mit dir anschaut", schildert die 44-Jährige. "Aber manchmal scheuen wir uns auch, uns einzumischen. Und manchmal, je nach dem, wie die Eltern so drauf sind, ist das Fernsehen schon mal grundsätzliches Thema beim großen Elternabend. Dann geben wir Tipps."

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"Wenn ferngesehen wird, am besten gemeinsam"

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Fernsehen: Gutes Fernsehen, schlechtes Fernsehen