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Männer in die Kitas!

Welche Vorstellungen Jungen im Alter von 13 und 14 Jahren vom Berufsbild des Erziehers haben und ob diese Tätigkeit für sie persönlich in Frage kommt, dazu äußert sich eine Gruppe von Heranwachsenden im Interview mit dem Medienpädagogen Uli Gilles.

Schüler der Georg von Böselager Verbundschule in Swistal-Heimerzheim verbrachten im Rahmen eines Berufsorientierungsprojektes einen Tag im nahegelegenen evangelischen Kindergarten. Im Gespräch mit Uli Gilles, Medienpädagoge und Fachberater des Kreisjugendamtes Siegburg, berichten sie über ihre Eindrücke.

Das Interview

Bietet das Arbeitsfeld des Erziehers jungen Männern eine berufliche Perspektive?

Um das Interview zu starten, klicken Sie bitte auf das Mikrofon (Pfeil). Die Audio-Datei hat eine Laufzeit von 5:17 Minuten. Hören Sie die Beiträge der Jugendlichen im Originalton mit Kommentar von Uli Gilles. Die musikalische Untermalung ab Minute 4:45 durch den "StarWars Marsch" wird gesungen von Finn (6 Jahre).

Szenen aus einem Kindergarten-Alltag

Screenshot aus dem Film von Beroobi "Berufsbild Erzieher"Screenshot aus dem Film von Beroobi "Berufsbild Erzieher"
Konfliktlösung: Kleiner Zwischenfall im Sandkasten
 
Hilfestellung geben: Eine Kerze wird angezündet.
 

Die Fotos stellen Ausschnitte aus dem Film "Berufsbild Erzieher" von Beroobi, ein Projekt von Schulen ans Netz e. V., dar. Multimedial und interaktiv präsentiert Beroobi zukunftsorientierte Ausbildungsberufe: Mittels Videos, Audiokommentaren, Bildern und Interviews informieren junge Auszubildende über ihren Beruf. Folgender Link führt Sie direkt zum Berufsbild Erzieher/in bei Beroobi.

Informationen zum Interview

Welche Vorstellungen haben die Schüler von dem Beruf "Erzieher"?

Nur 200 Meter Fußweg trennen Schule und Kindergarten. Aber es sind Welten, wie die zehn Schüler aus der achten Klasse der Verbundschule in Swisttal-Heimerzheim bei Bonn bald feststellen. Die eigene Kindergartenzeit der 13- bis 14-jährigen Jungen - einige von ihnen haben genau diesen Kindergarten besucht - ist gerade einmal zehn Jahre her, aber die Erinnerungen sind weitgehend verblasst. Die Schüler erhalten Beobachtungsaufgaben und sind nun jeweils zu zweit in den Kindergruppen unterwegs. Zu ihrer Überraschung stellen sie fest, dass hier nicht nur "ein bisschen gespielt" wird, sondern der Kindergarten ein Ort ist, an dem Bildung vermittelt wird, präziser ausgedrückt: Die Kindergartenkinder erhalten individuelle Förderung.

Die Rahmenbedingungen für die Arbeit mit den Kindern

70 Prozent russischstämmige Migrantenkindern besuchen diese Einrichtung. Sie bietet neben einer integrativen Gruppe auch eine U3-Betreuung an und ist darüber hinaus als Familienzentrum zertifiziert. Dies sind Rahmenbedingungen, die nach guten pädagogischen Konzepten verlangen. "Zahlen die Eltern eigentlich Geld und falls ja, wieviel?", "Gehen alle Kinder in den Kindergarten?" Dies und noch vieles mehr interessiert die Jungen, und sie haben die Gelegenheit, ihre Fragen der Leiterin, Frau Liebchen, bei einem gemeinsamen Frühstück zu stellen. Ausgehend von ihrer ganz persönlichen beruflichen Biographie erzählt Frau Liebchen, wie man Erzieherin wird, welche Schulen man besuchen muss und wieviel man während und nach der Ausbildung verdient.

Unterschiedliche Vorstellungen bei den Heranwachsenden

Die Aufgaben in den Gruppen machen den Jungs sichtlich Spaß, vor allem das Bauen eines Parcours mit großen Bauelementen im Flur des Kindergartens weckt den Spieltrieb der Heranwachsenden und bereitet Vergnügen. "Die Kinder lernen im Kindergarten durch Spielen und nicht so wie wir. Wir blättern in Büchern und müssen rechnen und die lernen durch Spiele", meint Florian (13). Auf die Frage, ob der ein oder andere sich vorstellen könne, im Kindergarten ein Praktikum zu absovieren oder ob sogar eine Ausbildung zum Erzieher in Frage käme, antwortet Rudolf (13): "Also ich kann's mir vorstellen, weil, ich will beim Praktikum ja nicht immer dasselbe machen." Daniel (13) hingegen möchte "nicht so viel mit Kindern machen". Er findet, Erzieherin sei ein Frauenberuf. Seiner Meinung nach steht für Frauen das Geldverdienen auch nicht im Vordergrund: "... weil die Männer ja verdienen." Auch André denkt, dass es sich bei diesem Beruf um einen typischen Frauenberuf handelt, "aber ein paar Männer könnten auch dabei sein." Allerdings gäbe es nur wenige Männer, die gut mit Kindern umgehen könnten.

Arbeit in der Kita - reine "Frauensache"?

Die Antworten sind nicht eindeutig und noch abwartend. Drei von zehn können sich immerhin ein Praktikum vorstellen, was aber vielleicht noch wichtiger ist: Alle beteiligten Schüler wissen jetzt wesentlich mehr über die Arbeit in der Kita, die viel anspruchsvoller ist, als sie gedacht haben. Erzieher als möglicher Beruf? Konkret äußert dies eigentlich nur einer. Vielen ist wohl eher unbewusst im Kopf, dass die Arbeit in der Kita nach wie vor "Frauensache" sei und die Verdienstmöglichkeiten sich alles andere als vielversprechend gestalten.

Sensibilisierung für ein spannendes Berufsfeld - auch für Männer!

Der Besuch fand zum mittlerweile zweiten Mal im Rahmen der Mädchenberufsbörse des Rhein-Sieg-Kreises statt.  Anfangs gedacht, um die Berufsorientierung von Mädchen auch um handwerkliche und technische Berufe zu erweitern, bietet man nun in kleinerem Rahmen auch den Jungen aus dem achten Schuljahr Orientierungsangebote an. Der Morgen in der Kita hat sich bewährt: Die Wege sind kurz, die Mitarbeiterinnen der Einrichtung aufgeschlossen, die Jungen erweitern ihren Horizont, werden mit Vorurteilen konfrontiert und lernen so ein spannendes und anspruchsvolles Berufsfeld kennen. Dass dies dringend notwendig ist, zeigt die Statistik: Der Anteil männlicher Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen stagniert seit langem bei circa drei Prozent.

Informationen zum Autor

Uli Gilles
arbeitet beim Jugendamt des Rhein-Sieg-Kreises in den Fachbereichen Jugendförderung, Jugendschutz und Familienzentren. Er ist Diplom-Medienpädagoge und verfügt über langjährige Erfahrungen mit der Umsetzung medienpädagogischer Projekte in der Jugend- sowie im Bereich der Elternarbeit. Er engagiert sich beim Lokalradio und beim Bürgerfernsehen in Nordrhein-Westfalen. Außerdem ist er Vorstandsmitglied beim Bonner Institut für Migrationsforschung und Interkulturelles Lernen. Er wohnt in Hennef, ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.