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"ErzieherIn: Beruf oder Berufung"

Dieser Film von Kurt Gerwig richtet sich an Erzieherinnen und Erzieher sowie an Ausbildungsinstitutionen und kann helfen, Orientierung zu schaffen, Kompetenzen zu reflektieren und die eigene Motivation zu stärken.

Veränderte Berufsanforderungen

Die Berufsanforderungen an Erzieherinnen und Erzieher haben sich in den letzten Jahren sehr verändert und erweitert. Die Ausbildung an Fachschulen und Fachakademien wird häufig unter dem Aspekt der neuen Entwicklungen in Frage gestellt und zahlreiche neue Studiengänge zur Elementarpädagogik fördern die Akademisierung in diesem Berufsfeld. Selten werden dabei jedoch die persönlichen Voraussetzungen, die eine Erzieherin, ein Erzieher mitbringen sollte, thematisiert.

"Ich möchte Erzieherin werden, weil ..."

Der Film "ErzieherIn: Beruf oder Berufung?" geht der zentralen Frage nach, welche personalen Kompetenzen Erzieherinnen und Erzieher heutzutage für ihren Beruf benötigen. Zunächst setzt sich der Filmautor Kurt Gerwig mit der Motivation auseinander: "Ich möchte Erzieherin werden weil ..." – so lautet der Titel des ersten Kapitels. Die Frage, was eine gute Erzieherin auszeichnet, richtet sich sowohl an Hochschuldozenten und Wissenschaftler wie auch an Lehrende von Fachschulen und selbstverständlich an die im Beruf stehenden Praktikerinnen (hier kommen ausschließlich Frauen zu Wort). Prof. Dr. Stefan Sell, der neben anderen hochkarätigen Experten, zum Beispiel Prof. Dr. Rainer Strätz, Prof. Dr. Gerald Hüther, zu Wort kommt, spricht in diesem Zusammenhang von der Blackbox, das heißt, es geht bei den personalen Kompetenzen um ein wichtiges Thema, das aber bisher nicht ausreichend beachtet wird.

Haltung, Neugierde, Empathie

Im zweiten Kapitel werden die Voraussetzungen, die Erzieherinnen und Erzieher brauchen, näher beschrieben. Was genau ist unter personalen Kompetenzen zu verstehen? In Anlehnung an Aussagen der oben genannten Experten stellt Kurt Gerwig folgende Kompetenzen vor: Haltung, Neugierde, Empathie, Beziehungsfähigkeit, Liebesfähigkeit, Respekt, Werteorientierung, Reflexionsfähigkeit, Selbstkonzept/Rollenverständnis. Der dritte Teil des Films beschäftigt sich dann damit, wie sich diese Kompetenzen erwerben lassen. Hierbei richtet sich der Blick insbesondere auf den Ausbildungs- und Fortbildungsbereich.

Exkurs - Wie gelingt Lernen am besten?

Mit der Frage wie die Persönlichkeitskompetenz in der Ausbildung gefördert werden kann, geht der Filmautor noch einen Schritt weiter und beschäftigt sich allgemein mit dem Thema Lernen. Wie gelingt Lernen am besten? Die Antworten des Hirnforschers Gerald Hüther sind aufschlussreich und geben viele interessante Anregungen zur kritischen Auseinandersetzung mit der Wissensvermittlung im Schulunterricht. Detlef Diskowski, Referent im Ministerium für Jugend, Familie und Sport, Brandenburg, fordert mehr exemplarisches Lernen und übt mit der Behauptung "Man kann nicht auf Vorrat klug werden!" Kritik am gesamten deutschen Bildungssystem. Schade, dass der Filmautor diesen äußerst spannenden Teil des Films, der viele Diskussionsanregungen bietet, mit den Worten beendet: "Starker Tobak". Das wird den fachlich differenzierten Aussagen der Wissenschaftler nicht gerecht.

"Ich glaube nicht, dass jede gute Schülerin auch eine gute Erzieherin ist"

Nach dem Exkurs in die Neurobiologie kommt der Film im sechsten Kapitel erneut auf das Ausgangsthema zu sprechen: Es geht um die Überprüfung personaler Kompetenzen. Wann ist man für den Beruf der Erzieherin, des Erziehers geeignet und wann nicht? Zu diesem Thema sind in erster Linie die in der Ausbildung Tätigen gefordert, Stellung zu beziehen. Prof. Dr. Rainer Strätz, stellvertretender Leiter des Sozialpädagogischen Instituts (SPI) Köln, bringt es mit seiner Aussage auf den Punkt: "Ich glaube nicht, dass jede gute Schülerin auch eine gute Erzieherin ist". Doch gibt es keine einheitliche und abschließende Antwort darauf, wie diesem Konflikt zu begegnen ist. Professor Dauber von der Universität Kassel zeigt am Beispiel der Lehrerausbildung an einem von ihm entwickelten Projekt, wie es möglich ist, die personalen Kompetenzen zu Beginn des Studiums zu thematisieren.

Kompetenzen der Kinder

Zum Abschluss stellt Kurt Gerwig die Kinder in den Mittelpunkt. Er vergleicht die Kompetenzen, die Kinder von Geburt an mitbringen mit denen, die Erzieherinnen und Erzieher für ihren Beruf benötigen. In Anlehnung an die Aussagen von Gerald Hüther, fordert er dazu auf, sich von den Kindern einladen, ermutigen und inspirieren zu lassen. Sein Abschlusskommentar "Also die Kinder weisen uns den richtigen Weg. Es ist an uns, diesen mit ihnen zu gehen!" klingt zwar sehr schön, reduziert aber Komplexes auf eine zu einfache Formel.

Gestaltung

Der Film gliedert sich in sieben Abschnitte, die einzeln abrufbar sind und auch unabhängig voneinander genutzt werden können. Die Interviews mit den Experten und Praktikerinnen sind in der Länge zum jeweiligen Thema passend und gut zusammen geschnitten. Wenn auch der Filmautor in der Begleitbroschüre darauf hinweist, wie schwer es war, dieses Thema zu visualisieren, so ist es ihm dennoch gut gelungen, passende Bilder zu finden. Die Einblicke in Kindertageseinrichtungen, die Bilder von Ausflügen und Zusammensein von Erzieherinnen und Kindern ergänzen ansprechend und einfühlsam die Wortbeiträge. Einzig: die Musik stört. Die seichte "Rundherumwohlfühlmusik", die auch in jedem Einkaufszentrum laufen könnte, passt schlichtweg nicht zu den fachlich hoch qualifizierten Beiträgen.

Kurzinformationen

TitelErzieherIn: Beruf oder Berufung
HerausgeberEin Film von Kurt Gerwig
BestellmöglichkeitAV1 Film + Multimedia
Preis36,00 €

Fazit

Der Film bietet viele Anregungen für die fachliche Auseinandersetzung mit dem bisher nicht ausreichend diskutierten Thema personale Kompetenzen für den Beruf der Erzieherin, des Erziehers. Zahlreiche interessante Statements von Experten und Expertinnen und Praktikerinnen regen zum Nachdenken an und geben Anstoß zur Diskussion. "ErzieherIn: Beruf oder Berufung?", diese Frage ist für alle, die in diesem Berufsfeld tätig sind von Bedeutung. Erzieherinnen und Erzieher werden angeregt, ihre Motivation kritisch zu hinterfragen, angehende Erzieherinnen und Erzieher finden in diesem Film eine Orientierungshilfe und die Lehrenden an Fachschulen und Fachakademien müssen neben der fachlichen Qualifikation auch die personalen Kompetenzen im Blick haben. Der Film eignet sich für den Einsatz im Aus- und Fortbildungsbereich und ist in jedem Fall empfehlenswert.

Über die Autorin

Doris Schalles-Öttl
ist Diplom-Pädagogin und Medienpädagogin. Sie arbeitet als Dozentin für Medienpädagogik an der Katholischen Fachakademie für Sozialpädagogik, München, und ist freiberuflich tätig, unter anderem für Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e.V.