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Montessori – "Hilf mir, es selbst zu tun."

Vom Weltallprojekt bis zum Regenwurmhotel – im Montessori-Kinderhaus Farwickpark in Aachen erforschen die Kinder Umwelt und Technik. Denn wie Maria Montessori selbst sind auch die Fachkräfte von heute überzeugt: Nur so lernen sie, die Natur zu achten und zu bewahren.

Vorreiterin Maria Montessori

Bewusstsein für die Natur schaffen

Auch wenn zu ihren Lebzeiten noch kein Mensch von den "MINT"-Fächern sprach, betrachtete die Italienerin Maria Montessori die naturwissenschaftliche, mathematische und technische Bildung als fundamentalen Bestandteil ihrer Pädagogik: "Maria Montessori war fasziniert von den naturwissenschaftlichen und technischen Erfindungen ihrer Zeit. Gleichzeitig sah sie ihre Aufgabe darin, das Werk der Schöpfung zu bewahren und fortzusetzen", erklärt Helma Dressen, Leiterin des Montessori-Kinderhauses Farwickpark in Aachen. "Sie hatte die Sorge, dass den Menschen bestimmte Errungenschaften entgleiten, was zum Beispiel im Fall der Atomenergie ja auch tatsächlich passiert ist. Deshalb fand sie es schon damals wichtig, dass Kinder die Natur achten und bewahren und als Voraussetzung dafür im Rahmen einer ganzheitlichen, so genannten kosmischen Erziehung etwas über die Entwicklung des Universums, der Erde und der Gesellschaft lernen. Sie sollten ein Bewusstsein für die belebte und unbelebte Natur entwickeln, indem sie sich zum Beispiel mit Astronomie, Geographie, Geologie, Biologie, Physik und Chemie beschäftigen."

Sinnliches Lernen mit altbewährten und selbst gestalteten Materialien

Wie Maria Montessori, die viel Wert auf das Schaffen von Lernanreizen und das Beobachten der Kinder gelegt hat, sehen die pädagogischen Fachkräfte im Kinderhaus Farwickpark ihre Aufgabe vor allem darin, den Kindern Materialien zur Verfügung zu stellen, damit diese ihren eigenen Interessen nachgehen, Dinge ausprobieren und eigene Fragen entwickeln können. Dabei achten sie allerdings darauf, die Kinder nicht allein zu lassen: "Für Montessori soll die Aktivität vom Kind ausgehen und in der Regel brauchen die Kinder auch wirklich keine Motivation von außen. Aber wir halten es für genauso wichtig, im Dialog mit den Kindern zu bleiben und ihnen bei Bedarf Anregungen zu geben, was sie ausprobieren und worauf sie dabei achten können", sagt Dressen.

Den Zahlenraum und das Weltall erkunden

Im Kinderhaus Farwickpark wird mit Materialien gearbeitet, die Montessori teils selbst entwickelt hat: "Eine wichtige Grundlage ist die Arbeit mit so genannten Sinnesmaterialien, die die Kinder an die Bedingungen in unserem Umfeld heranführen. Das können raue und glatte, schwere und leichte, warme und kalte, hell und dunkel klingende Gegenstände sein, aber auch Grundfarben oder geometrische Körper wie Pyramiden, Quader und Walzen, die die Kinder ertasten und sortieren können", sagt die Erzieherin Gisela Jocham. Außerdem gibt es z. B. mathematisches Material, das den Kindern den Zahlenraum von null bis unendlich mithilfe von Perlen konkret begreifbar macht, und auch speziell für die sogenannte kosmische Erziehung entwickelte Materialien: "Dazu gehören beispielsweise Weltkarten, die nachgepuzzelt werden können, oder große Decken, die das Universum darstellen und auf denen die Kinder Sterne, Sternschnuppen und Planeten nach bestimmten Bildern anordnen können, um eine plastische Vorstellung davon zu bekommen."

Entdeckerlust entfalten

Projektarbeit und Forschergruppe

Wenn es darum geht, die Kinder zum Forschen zu animieren, werden die Fachkräfte aber auch selbst kreativ: Gerade Helma Dressen, die sich in der eigenen Schulzeit überhaupt nicht für Astronomie oder Geologie, Chemie oder Mathe interessieren konnte, weil es da nur um Theorie und Formeln ging, hat sich dem MINT-Bereich in Fortbildungen genähert und inzwischen ein echtes Faible dafür entwickelt: "Für unser Projekt zum Weltall habe ich Geschichten über die Mäuse Astro, Luna und Eulalia geschrieben, die die verschiedenen Planeten erkunden. Wir haben die Geschichten erzählt und dazu Bilder gezeigt, etwa eine Dia-Serie zur Mondlandung. Da kam dann eines Morgens eine Mutter und erzählte, ihr vierjähriger Sohn sei begeistert, wie mutig Juri Gagarin war, dass er einfach in den Weltraum geflogen ist, ohne zu wissen, was da ist. Ich war begeistert, welche Gedanken solch ein Projekt bei den Kindern auslöst."

Steckbrief:
Das Montessori-Kinderhaus Farwickpark ist das älteste Kinderhaus Deutschlands, es wurde 1926 gegründet. Die eingruppige Einrichtung mit 20 Kindern beschäftigt zwei Vollzeitkräfte und eine Halbtagskraft. Sie ist für alle Kinder offen und zertifiziert als "Haus der kleinen Forscher". Träger ist die Stadt Aachen. Mehr Infos zum lokalen "Haus der kleinen Forscher"-Netzwerk beim Bildungsbüro der StädteRegion Aachen.

In anderen Projekten geht es z.B. darum, wie Regenwürmer organisches Material zersetzen, warum Spinnen gar nicht so schlecht sind wie ihr Ruf oder wie die Kinder am besten auf ein Feuer in der Kita reagieren. Und vor Kurzem stand im Kinderhaus Farwickpark das Thema Klimaschutz auf dem Programm: Das Projekt "Energie erleben im Kindergarten" fand im Rahmen der Aktion "activ fürs Klima" statt, die von der Stadt Aachen gestartet wurde. Wie wird Windenergie erzeugt? Wie funktioniert eine Heizung? Ist die Heizung richtig eingestellt oder ist es zu warm im Gruppenraum? Ist es nötig, dass wir immer elektrische Geräte benutzen oder kann es statt der elektrischen auch mal eine normale Zahnbürste sein? Wie funktioniert eine Solarzelle? Die Kinder haben einen Generator ausprobiert, Windspielzeug gebastelt und Wettrennen von Solarautos in der Sonne veranstaltet.

Parfüm selber herstellen

Einmal pro Woche treffen sich besonders interessierte Kinder in der Forschergruppe, um gemeinsam mit Fred, der neugierigen Ameise, Experimente durchzuführen. Die pädagogischen Fachkräfte arbeiten dabei mit Materialien von Gisela Lück, einer Professorin für Chemie-Didaktik. "In den Geschichten stellt Fred Fragen, die die Kinder durch Experimente beantworten sollen. Auch wir Erzieherinnen wissen vorher nicht, was dabei rauskommt und haben selbst Spaß daran, mit den Kindern herumzuprobieren", sagt Dressen. "Und die Kinder lieben das Forschen!" Das bestätigt auch die 6-jährige Luise: "Das ist einfach mein Thema, das Forschen. Wir haben in der Forschergruppe Kohlenstoffdioxid in einen Luftballon eingefüllt und dann hat der sich von selbst aufgeblasen, ohne dass jemand geblasen hat! Und wir haben Parfüm hergestellt: Da haben wir Lavendel mit Wasser zusammengequetscht und das durch einen Kaffeefilter gedrückt, immer hin und her, dann hatten wir einen sauberen Saft, das war das Parfüm."

Auf die Baustelle: aktuelle Lernanlässe aufgreifen

Damit die Kinder auch außerhalb dieser festgelegten Zeiten Gelegenheit zum Forschen haben, gibt es einen beweglichen Schrank, in dem Forscherutensilien aufbewahrt werden. Die Kinder können hier mit Wasser in unterschiedlichen Gefäßen arbeiten oder Löffel oder Stifte in eine spezielle Metallvorrichtung legen und an einem Lämpchen erkennen, was Strom leitet und was nicht. Daneben nehmen die pädagogischen Fachkräfte auch aktuelle Anlässe wie den bevorstehenden Umzug in ein neues Haus zum Lernanlass: "Für den Bau des neuen Hauses mussten Bäume gefällt werden, die aber schon sehr krank waren. Wir haben uns gemeinsam mit den Kindern die Jahresringe angesehen und darüber gesprochen, woran man einen gesunden von einem kranken Baum unterscheiden kann", erzählt Dressen. Und auch der eigentliche Hausbau bietet viel Stoff für die kleinen Forscher: Wie entsteht ein funktionierendes Haus? Wie kommen der Strom rein und das Abwasser wieder raus? Dressen und ihre Kolleginnen sammeln jetzt schon Bilderbücher und Puzzles zum Thema. Später wollen sie die Baustelle dann regelmäßig besuchen, um mit den Handwerkern zu sprechen und sich gemeinsam mit den Kindern die Veränderungen und Fortschritte anzusehen.

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Wie Kitas forschen: Praxisbeispiele von Montessori bis Reggio
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