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Dreiklang aus Erziehung, Bildung und Betreuung

Kinder unter drei Jahren haben enorme Potenziale, die einer zielgerichteten Förderung bedürfen. Dabei sind die Aufgaben und Herausforderungen der pädagogischen Fachkräfte grundsätzlich andere als bei der Betreuung von älteren Kindern.

Riesige Potenziale der Kinder

Kleinkinder wollen mit großen Augen die Welt entdecken. Sie verfügen über riesige Potenziale, wollen sich mit ihrer Umgebung auseinandersetzen und Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen. Doch ihre Neugierde und Entdeckungslust braucht vielseitige Anregungen. Und die Kinder benötigen verlässliche und sensible Begleiter, die ihre Bedürfnisse erkennen und ihnen emotionale Sicherheit bieten. "Das Potenzial, das es bei Kindern unter drei Jahren gibt, kommt nie wieder", sagt die Beraterin für Frühpädagogik Dr. Ilse Wehrmann. Die Betreuung von unter Dreijährigen stellt die Einrichtungen und vor allem die Erzieherinnen und Erzieher deshalb vor ganz andere Aufgaben, als dies bei älteren Kindern der Fall ist. Es gelte, sagt Wehrmann, im U3-Bereich einen "Dreiklang aus Erziehung, Bildung und Betreuung" zu meistern.

Personalschlüssel und Gruppengröße

Zu den Erfordernissen einer hohen Betreuungsqualität gehört zunächst ein kind- und altersgerechter Personalschlüssel. In der Realität kommen derzeit zwischen 3,5 (Saarland) bis 7,5 (Brandenburg) Kinder auf eine Erzieherin oder einen Erzieher. Fachleute wie Ilse Wehrmann befürworten dagegen einen Schlüssel von drei Fachkräften für zehn Kinder. Dazu sind die Gruppengrößen im U3-Bereich idealerweise wesentlich kleiner als bei den Älteren: Nach Empfehlung der EU sollten maximal fünf bis acht Kinder bis zum Alter von 36 Monaten eine Gruppe bilden. In kleinen, familienähnlichen Gruppenstrukturen fühlen die Kinder sich am wohlsten und profitieren voneinander. In der Praxis werden unter Dreijährige überwiegend in altersgemischte Kita-Gruppen integriert. Ziel sollte eine ausgewogene Alters- und Geschlechterzusammensetzung sein, die den Kontakt zu Gleichaltrigen sicherstellt und keine zu großen Alterssprünge enthält. Es sollte darauf geachtet werden, dass Kleinkinder ihrem Entwicklungsstand entsprechend mehr Fläche benötigen als ältere Kinder.

Raum- und Materialangebot

Die Krippen müssen jedem Kind ausreichend Platz und Möglichkeiten zur Entfaltung bieten. Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt, dass Gruppen- und Nebenraum in Krippen zusammen mindestens 74 Quadratmeter groß sein sollten. Hinzu kommen Schlaf- und Wickelraum sowie ein Außengelände. Die Räume sollten verschiedene Funktionsbereiche beinhalten, etwa Spiel- und Entspannungsecken, Koch- und Essnischen oder Bereiche zum Bewegen, Konstruieren und Experimentieren. Sie sollten dem jeweiligen Entwicklungsbedarf der Kinder entsprechend sowohl altershomogen als auch -heterogen genutzt werden können. Das gilt auch für das Materialangebot: Spielmaterialen für jede Entwicklungsstufe sollten zum Gestalten, Bauen und Konstruieren oder auch zu Rollenspielen animieren. Die Kinder können dabei am besten sowohl Dinge aus dem Alltag als auch Naturmaterialen und Gegenstände zur Schulung der sinnlichen Wahrnehmung ausprobieren.

Pädagogische Kompetenzen

Die Bildungsschwerpunkte sollten breit gefächert sein: über Sprache und Kommunikation, die kognitive, soziale und emotionale Entwicklung, Bewegung, Fantasie, Musik und Kunst, Natur und Technik bis hin zu interkulturellen Kompetenzen und Multilingualität. In jedem Fall benötigen die Kinder Pädagoginnen und Pädagogen, die speziell für den U3-Bereich ausgebildet sind. Eine der wichtigsten Qualifikationen in dem Bereich ist dabei die geschulte Beobachtungsgabe. "Kinder unter drei Jahren können ihre Bedürfnisse noch nicht so kommunizieren wie die älteren. Wir brauchen darum Fachkräfte, die wach und aufgeschlossen sind, fachlich fundiert Entwicklungen beobachten und dementsprechende Maßnahmen einleiten können", sagt Gerwald Wallnöfer, Professor für Allgemeine Pädagogik an der Universität Bozen. "Ich erlebe die Erzieherinnen und Erzieher oft hochmotiviert, aber unsicher im Hinblick auf kleine Kinder, weil sie kein Handwerkszeug aus der Ausbildung haben, auf das sie zurückgreifen können", ergänzt Ilse Wehrmann. Erzieherinnen und Erzieher in Kitas, die Ein-und Zweijährige neu aufnehmen, sollten sich darum vorher entwicklungspsychologische und lernmethodische Grundlagen für die Betreuung von unter Dreijährigen aneignen und sich auch weiter begleitend fortbilden. Wichtig ist auch, dass Kleinkinder eine konstante und vertraute Bezugsperson besitzen.

Zusammenarbeit mit den Eltern

Auch die Beziehung zu den Eltern ist bei der Betreuung von Kleinkindern von entscheidender Bedeutung. Eine gelungene Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen beginnt bei der Eingewöhnungsphase. Die Trennung von vertrauten Bezugspersonen und die Hinwendung zu bislang unbekannten pädagogischen Fachkräften verlangen dem Kind eine hohe Anpassungsleistung ab. Doch auch die Eltern müssen Vertrauen zu den Erzieherinnen und Erziehern fassen. Mütter und Väter sollten daher in den Krippen und Kitas stets willkommen sein. In regelmäßigen Gesprächen und in einer Mappe dokumentiert bekommen sie Rückmeldung über den Entwicklungsstand ihres Kindes. Auf Basis ihrer Beobachtungen entwickeln die Erzieherinnen und Erzieher gemeinsam mit den Eltern für jedes Kind ein individuelles Konzept, um dessen Entwicklung optimal zu unterstützen. Auch der Austausch der Eltern untereinander bedarf einer planvollen Steuerung seitens der Kita.

Eine Art Familienzentrum

Schließlich befinden sich junge Familien in einer "Phase hoher Verletzlichkeit", erklärt Gerwald Wallnöfer. Die Eltern stehen in der Regel unter Dauerstress, bauen sich gerade ihre berufliche Existenz auf und haben, wenn sie nicht selbst aus einer Großfamilie kommen, keine Erfahrung darin, Kinder aufzuziehen. "Die Verunsicherung ist oft groß", sagt Wallnöfer, "Eltern haben ganz viele Fragen zum Entwicklungsprozess von Kindern, weil sie keine Vergleichsmöglichkeiten haben. Die brauchen kompetente Gesprächspartner!" Und noch etwas kommt hinzu: "Die Einrichtungen haben auch eine kompensatorische Funktion, um etwaige Defizite in der familiären Erziehung auszugleichen. Da besteht eine öffentliche Verantwortung", so Wallnöfer. Bestenfalls stellen sich Krippen und Kitas nach dem Vorbild von Familienzentren auf, beispielsweise als Beratungsstellen, die niedrigschwellige Angebote zur Stärkung elterlicher Erziehungskompetenzen anbieten.

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