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Waldkindergarten - Bezug zur Natur gewinnen

Jeden Tag draußen unterwegs? Bei Wind und Wetter? Im Waldkindergarten
"Die Fledermäuse" in Friedrichsdorf ist das Programm. Hier entwickeln die Kinder eine selbstverständliche Beziehung zur Natur und erforschen Bäume, Plätze und Wälder.

Forschen unter freiem Himmel

Brotzeit im Wald

Wer in der Natur Augen und Ohren offen hält, kann viel Erstaunliches und Verblüffendes beobachten. Im Waldkindergarten "Die Fledermäuse" in Friedrichsdorf sind die Kinder täglich stundenlang draußen unterwegs. Klar, dass die Gruppe jede Menge zu erkunden und  zu entdecken findet. "Kinder und Naturphänomene, das gehört einfach zusammen", sagt Karin Dinter, Waldpädagogin im Waldkindergarten und Diplom-Biologin. Der Tagesablauf der Kinder findet zum großen Teil im Freien statt. Nach dem Morgenkreis entscheidet die Gruppe gemeinsam, an welchen von ungefähr 20 bekannten Plätzen sie gehen will. Dann stiefelt die Gruppe mit je drei Betreuungskräften los. Kleine Rituale strukturieren den Tag. So wird im Wald die gemeinsame Brotzeit im Kreis eingenommen, eingeläutet durch einige Momente des Schweigens und den Ton einer Klangschale.

Anregungen aus der Natur

Wie geht das? Warum ist das so? Diese Fragen stellen sich kleine Menschen immer wieder. "Man legt Samen, wenn man Kinder ernst nimmt und ihr Bedürfnis, Dingen auf den Grund zu gehen, nicht unterdrückt", davon ist Karin Dinter fest überzeugt. Dabei gilt das Prinzip: Die Kinder sollen ihre eigenen Hypothesen aufstellen und überprüfen. "Meine Kollegin sagt dazu: 'Lass den Erklärbär stecken!'", erzählt Karin Dinter schmunzelnd.
Statt eine fertige Antwort zu liefern, wie Mäuse im kalten Winter überleben, kleben die Mädchen und Jungen beispielsweise Bilder von Mäusen auf Filmdöschen. Dann füllen sie die Behältnisse mit warmem Wasser – und nun soll jedes Kind im Wald einen möglichst kuscheligen Platz für seine Testmaus finden. Nach einer Weile wird die Wassertemperatur erneut gemessen. "Die Kinder finden schnell heraus, mit welchen natürlichen Materialien Mäuse ihr Nest warm polstern können: Heu, Federn, Haare, trockenes Laub ... Nach dem Versuch sind die Kinder mit ihren Bratenthermometern losgezogen und haben noch viele andere Dinge gemessen: den Boden, den Schnee, alles Mögliche."

Forscherblick statt Spielsachen

Eine Hütte bietet Schutz

Für Karin Dinter ist die Fähigkeit ihrer Schützlinge, sich derart intensiv mit einem einzigen Gegenstand zu beschäftigen, auch eine Folge der Waldpädagogik. Die zielt darauf ab, sich von der Natur statt von vorgefertigten Spielwaren in geschlossenen Räumen anregen zu lassen. Die Gruppe hat zwar eine feste Hütte für extreme Wetterlagen, doch in der Regel gehen Kinder und Erzieherinnen jeden Tag an einen der ausgewählten Plätze im Wald. "Und da können wir nicht immer alle Materialien mitnehmen." Wenn gerade keine Eimerchen zur Hand sind, müssen eben Rindenstücke oder die Brotzeitdose zum Wasserschöpfen genügen. "Das fördert Kreativität und auch Resilienz, also die Fähigkeit, erfolgreich mit belastenden Situationen umzugehen, wenn nicht immer alles sofort verfügbar ist und eigene Lösungen gefunden werden müssen."

Steckbrief:
23 Kinder besuchen den Waldkinder- garten, in dem drei Betreuungskräfte arbeiten. Experimentieren und Forschen ist ein festes Angebot des Waldkindergartens. 2010 wurden die Fledermäuse zum ersten Mal als "Haus der kleinen Forscher" im Netzwerk "Hochtaunuskreis" zertifiziert, 2012 zum zweiten Mal. Karin Dinter leitet für die Stiftung "Haus der kleinen Forscher" auch Workshops für pädagogische Fachkräfte.

Zudem steigert die Konzentration auf die eigenen Sinne und das, was rundherum passiert, die Aufmerksamkeit, auch für naturwissen- schaftliche Fragestellungen und Begriffe. Denn wer lange genug beobachtet, wie Regenwasser von einer Plane in ein Liter-Gefäß läuft, der hat am Ende auch begriffen, was das Wort "Liter" bedeutet. Selbst mathematische Fragen liegen im Wald mitten auf dem Weg. "Eines Tages haben wir ganz viele von Eichhörnchen angenagte Zapfen gefunden", erzählt Karin Dinter. "Normalerweise sieht man davon vielleicht einen oder zwei. Die Kinder wollten wissen, wie viele es sind. So kam eines auf die Idee, immer Zehnerhaufen zu machen. Am Ende waren es 350 Stück."

Entdeckerlust entfalten

Wasser-Projekt mit Kläranlage

Jeden Mittwoch treffen sich die größeren Kinder zur Experimentiergruppe. Doch damit ist der Forscherdrang noch längst nicht erschöpft. Manchmal dauert es tage- oder wochenlang, bis ein Thema ausgiebig von allen Seiten erkundet ist. "Letztes Jahr hatten wir ein Projekt zum Thema Wasser", berichtet Karin Dinter. "Die Kinder haben zum Beispiel Boote und Wasserräder gebaut oder Fische aus Oblaten gebastelt." Nach einer Versuchsidee der Stiftung "Haus der kleinen Forscher" entstand auch eine Kläranlage, in der sie mit Hilfe von Kies und Steinen schmutziges Wasser filterten. "Den Kindern fiel aber auf, dass das Wasser danach immer noch braun war – nun wollten sie wissen, wie das in einer echten Kläranlage ist. Also haben wir mit der ganzen Gruppe eine Kläranlage besucht." Und natürlich wurde das Thema Wasser im nächsten Winter in Form von Eis und Schnee wieder aktuell.

Experimente - immer neu und anders

An ihrer Arbeit im Waldkindergarten schätzt Karin Dinter besonders, dass die Ergebnisse nie von vornherein feststehen. "Auch wenn ich durch meine naturwissenschaftliche Ausbildung viel Erfahrung habe. Aber mit den Kindern ist es jedes Mal wieder neu und anders." Dazu gehört auch, die Impulse der Kinder zuzulassen und aufzugreifen. Selbst wenn ein Experiment manchmal unvorhergesehene Wege geht. So wie bei einem der ersten Versuche mit der Gruppe: "Ich wollte mit den Kindern Kaseinleim aus Milch und Essig herstellen. Ein ganz altes Rezept, so klebten die Schreiner früher."

Eine Handpuppe erzählte den Kindern, sie habe einen Brief an einen Freund geschrieben, den wolle sie nun zukleben. Mit der spontanen Reaktion ihrer kleinen Zuschauer hatte die Pädagogin allerdings nicht gerechnet. "Die Kinder riefen: 'Dann nimm doch Harz!' Das kennen sie natürlich aus dem Wald." Statt die Idee im Keim abzuwürgen, lobte Karin Dinter die Kinder für ihren Einfallsreichtum und nahm sich die Zeit zum gemeinsamen Ausprobieren. Die ersten Umschläge wurden mit Harz verschlossen. Doch dieses klebte nicht nur an den Briefen, sondern auch an den Fingern – so dass sie schließlich doch den Bogen zu dem neuen Klebstoff schlagen konnte ...

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